Ausgabe .74
März 2024: Streit um ein Tshirt als Marketing, chinesische Flüche und kanarische Wüsten
Es ist der 2460389ste Tag des julianischen Kalenders.
Ich muss in der letzten Zeit immer wieder an Gogol Bordello denken.
Die selbsternannte Gypsy-Punk Band aus New York gehört nicht nur zu den beeindruckendsten, weil chaotisch-energetischsten Live Acts, die zu erleben man hoffentlich das Vergnügen hatte, sie haben mit Wanderlust King auch einen fantastisch leichtfüssigen Song im Repertoire, der so mancher Reise zum perfekten Soundtrack verhalf.
Aber, um diese Ausgabe des 5G Newsletters angemessen einzuläuten, fällt die Wahl eher auf das, nicht minder mitreissende Start Wearing Purple
Viel Spaß!
g_worben
Hätte das hier eine Überschrift könnte sie lauten:
Das Kapital gewinnt den Kulturkampf
- wie Adidas rechte & linke Talking Heads ihr Marketing erledigen lässt
Gehen wir ein paar Schritte zurück.
Die Werbe- und Marketing Industrie hat es seit jeher geschafft, wesentliche Elemente der gerade relevanten Subkultur zu instrumentalisieren. Selbst, wenn es sich dabei um sogenannte “Gegenkulturen” handelte.
Sei es die Hippie Bewegung, sei es Punk, sei es was-auch-immer. Einen Trend zu erkennen, um diesen dann bis zur Bedeutungslosigkeit auszubeuten, ist Teil des Geschäfts. Genau das macht es ja so widerwärtig.
Nun hat sich in den vergangenen Tagen ein Microtrend etabliert, in dessen Mittelpunkt eine hitzige Debatte um nicht weniger als das offizielle DFB Auswärtstrikot für die anstehende Europameisterschaft steht.
Warum das?
Es sei vorweg gesagt, dass an das öffentlich zu verschwitzendes Kleidungsstück große Ansprüche von Seiten des offiziellen Ausstatters Adidas gestellt werden.
Das pink-lilane Shirt soll viel.
Zb. “für die Vielfalt des Landes stehen”.
Und “humorvoll mit deutschen Klischees und Stereotypen spielen”.
Und “die neue Generation ansprechen”.
Doch da selbst für solch ein stehendes, spielendes und sprechendes Jersey der Preis von 150€ (für die DFB 2024 AUSWÄRTSTRIKOT AUTHENTIC - Variante) keine Kleinigkeit ist, muss immaterieller Mehrwert geschaffen werden.
Vorausschauenderweise ist bereits eine der durchtriebensten Marketingkampagnen in Anspruch und Design des Shirts mit eingewebt worden, denn hier reicht es nicht, für einen Monat mit regenbogenfarbenem Logo der LGBTQ Community zu signalisieren, dass auch ihr Geld stets willkommen ist.
Denn konservative bis rechtsgerichtete Kommentatoren, Politiker, Journalisten und deren Horden willfähriger Gefolgschaften, also genau die, die nichts für “Vielfalt”, die “neue Generation” oder “Humor” übrig haben, konnten es nicht abwarten, ihren Unmut über das Trikot zu verkünden.
Was erwartbarerweise die Triggerpunkte der progressiv bis linksgerichteten Kommentatoren, Politiker, Journalisten und deren Horden willfähriger Gefolgschaften stimulierte und exakt das Reiz-Reaktion-(Reaktion-)Muster in Gang setzte, das der Journalist Dirk von Gehlen so treffend als Glut-Theorie bezeichnet.
“Wer in die Glut pustet, tut alles andere, als diese zu löschen.”
Pünktlich zum Abglimmen des kurzfristig angefachten Feuers präsentiert der DFB dann das offizielle Werbevideo zum Trikot, welches (der Fachmann staunt, der Laie wundert sich) präzise die, dem Netz entnommene Häme thematisiert.
Die zuständige Marketing Agentur hat also, um in der Sprache des Sports zu bleiben, einen Hattrick erzielt:
Der, vorrangig in den sozialen Medien vorherrschende Kultur-Kampf selbst wurde als wesentliches Element der gegenwärtigen Kultur identifiziert.
Zwei, diametral entgegengesetzte ideologische Gruppen arbeiten (wider besseren Wissens) gemeinsam für den, mal wieder erstaunlich ideologie-freien Markt.
Ein buntes Trikot konnte zu einem politischen Statement hochstilisiert werden.
Die, geradezu brutal realistische Einschätzung, hinter der, “die Fans schockierenden” Oberbekleidung liefert, angemessen reisserisch das Enthüllungsmagazin sport1.de
Pinkes DFB-Trikot: Grund enthüllt
Oliver Bierhoff erklärt, warum das neue Auswärtstrikot der deutschen Nationalmannschaft in ungewöhnlichen Farben daherkommt.
Das Auswärtstrikot der deutschen Nationalmannschaft ist offenbar aus ökonomischen Gründen in ungewohnten Farben gestaltet worden. Das verriet der langjährige DFB-Geschäftsführer Oliver Bierhoff.
Demnach stehe bei dem pinken Jersey, das bei den Fans für reichlich Aufsehen sorgt, „ein kommerzieller Gedanke“ im Vordergrund. Bierhoff erklärte bei Welt-TV, dass es schlicht darum gehe, „die Trikots zu verkaufen“.
g_wesen
…bin ich auf der Kanarischen Insel Teneriffa, die weitaus abwechslungsreicher, historischer und spannender ist, als ihr Ruf eines klimatisch milden Rentner Refugiums vermuten lässt.
Mehr dazu im nächsten Podcast.
Vorab schonmal ein paar Bilder.
g_flucht
“Mögest du in interessanten Zeiten leben.”
~ chinesischer Fluch
g_hört
Musik, die sich wie warmer Staub über die Stätte einer Bluttat legt, während man mit müden Schritten seinen einsamen Weg durch die Wüste, der untergehenden Sonne entgegen fortsetzt.